Yes Men faken Adidas-Schau

Wenn Fashion auf Realität trifft

Die Guerilla-Gruppe Yes Men hat die Berliner Fashion Week gekapert und eine Fake-Schau von Adidas inszeniert. Der Stunt war eher eine Aufklärungskampagne als Aktionskunst - und forderte faire Arbeitsbedingungen in der Mode

Sie haben es wieder getan: Die Yes Men haben geprankt. Oder wie es auch heißt, Aktionskunst betrieben. Diesmal hat die US-amerikanische Kommunikations-Guerrilla versucht, den Konzern Adidas in die Enge zu treiben, indem sie in seinem Namen eine Kurskorrektur zum Auftakt der Berliner Fashion Week bekannt gaben. Hin zu fairen Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen.

Der Zeitpunkt war gut: Adidas' neuer CEO Bjorn Gulden ist seit ein paar Wochen im Amt. Und müsste ja nun mal seine Vision für die Firma präsentieren, die sich zuletzt als Hauptsponsor der WM in Qatar und Geschäfts-Partner von Antisemitismus-Ye nicht nur Freunde gemacht hatte.

Diese Aufgabe übernahm in Berlin ein Mann, der sich als Senior Creator von Adidas vorstellte, und erstmal die frühere Näherin Vay Ya Nak Phoan zur Co-CEO ernannte. Diese verkündete dann, man habe ein rechtlich verbindliches Abkommen unterzeichnet, das zusagt, Arbeitnehmerrechte zu schützen. Außerdem wolle man ausstehende Löhne zahlen. Der neue Adidas-CEO habe schon unterschrieben.

Kind of geschockt von der Komplexität der Fashion-Welt,

Anschließend wurde vor versammelter Berliner B-Mode-Prominenz die "Realitywear"-Kollektion gezeigt, an der angeblich unter anderem die Musiker Pharrell Williams und Bad Bunny mitgestaltet haben sollen. Die wurde aus Adidas-Kleidung recycelt, die – so die Ankündigung – sechs Monate lang ununterbrochen von kambodschanischen Arbeiterinnen und Arbeitern in Textilfabriken getragen wurde.

Models mit Wunden und blauen Augen krochen über den Laufsteg, brachen zusammen, stützen sich an fashion people in der ersten Reihe auf. Influencer schauten so gelangweilt oder peinlich berührt durch ihre Smartphones, dass man nicht wusste, ob sie perfekt gecastet sind oder nun wirklich kind of geschockt von der Komplexität der Fashion-Welt, die da über sie herein brach. Aber ein nicht kleiner Teil der Anwesenden glaubte tatsächlich daran, dass hier eine Textilfirma ein rebranding vornimmt, sprach im Anschluss an die Show von einer Kollektion, die "voll Avantgarde" sei und endlich mal etwas aussage.

Nun ist die Berliner Fashion Week nicht dafür bekannt, dass dort große Firmen große Ankündigungen machen. Man hätte also schon ahnen können, dass hier etwas nicht stimmt. Auf der anderen Seite: So richtig lange können Textilfirmen nicht mehr so weitermachen wie bisher, sie müssen zumindest so tun, als würden sie nicht mit Fabriken zusammenarbeiten, die ihre Mitarbeiter nicht aufs Klo gehen und sie sieben Tage die Woche arbeiten lassen.

Die Absurditäten der Welt auf die Spitze treiben

Die Yes Men wurden für diese Aktion von der Clean Clothes Campaign angesprochen, eine internationalen NGO, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie einsetzt und die seit längerem an einer Kampagne zum Thema "Pay Your Workers" arbeiten. Vay Ya Nak Phoan ist eigentlich die Whistleblowerin Len Leng und Journalistin. 40 Leute arbeiteten im Team.

Die Yes Men sind zwei Männer, die unter verschiedenen Pseudonymen auftreten. Vermutlich heißen sie "Andy Bichlbaum" und "Mike Bonanno". Sie haben in der Vergangenheit bereits eine falsche Website der World Trade Organization (WTO) gelauncht und darüber Einladungen zu Talks abgefischt. Und redeten dann im Namen der WTO über die Vorzüge des freien Marktes und darüber, ob man nicht sogar mit Wählerstimmen ganz gut handeln könne.

Auf einer Konferenz zur Globalisierung des Textilhandels hielten sie eine Rede über die Vorteile von Sklaven und Überwachung von Arbeitern. Im Namen der "Barbie-Befreiungsorganisation" tauschten sie die Elektro-Innenleben von sprechenden GI-Joe und Barbie-Puppen aus und stellten sie zurück in die Läden.

Kommunikation und Kunst

Das ist immer lustiger, immer schlauer, immer weniger eitel als es etwa das Zentrum für politische Schönheit mit seiner aktivistischen Kunst treibt. Aber bei dieser Aktion in Berlin wurde klar, wie wenig all das dann doch mit Kunst, sondern vor allem mit Kommunikation zu tun hat. Die ganze Idee war ungefähr so genial wie eine tatsächliche Rebranding-Idee eines Unternehmens.

Und sie war überladen: Die Websites, die die Aktion begleiten, die verteilten QR-Codes, die vielen per E-Mail verschickten Pressemitteilungen, ausgeteilte Handzettel, all das war voller Text und Informationen: Über die Arbeitsbedingungen der Menschen in den Textilfabriken, Fifa-Korruption, die Nazi-Vergangenheit des Sportartikelherstellers, Kollaborationen mit Ye und Balenciaga, Unionbusting und Baby-Kängurus, die für ihr Leder geschlachtet werden. Man hätte ein ganzes Magazin damit füllen können. Aber das liest ja keiner.

Wenn man solche Aktionen vor allem als eine Möglichkeit versteht, Informationen an Menschen zu bringen, dann könnte man sagen: gutes Format! Aber sich auch fragen, ob die Fashionistas das wirklich alles gefasst kriegen oder sich eher freuen, dass sie Adidas bald endlich mit besserem Gewissen kaufen können?

Reale Konsequenzen des Prankismus

Aber gut, die internationale Presse berichtete, das passiert auf der Berliner Fashion Week ja selten. Adidas dementierte, was immer ein gutes Zeichen ist, weil sich dann das Schwein, das sich da an der Eiche kratzt, ja schon irgendwie bemerkbar gemacht hat.

Und Ilana Winterstein, die für die Clean Clothes Campaign in Berlin war, sagte, es gehe nicht nur darum, die Konzerne zu Gesprächen mit NGOs zu bewegen, sondern sie auch wirklich die #payyourworkers-Vereinbarung unterzeichnen zu lassen. Da kann man dann einfach hoffen, dass sich der Prankismus samt seinen ganzen Internet-Aufmerksamkeits-Spielchen nicht so schnell abnutzt.