2004-12-11

Bushs Superbulle floppt: Kerik steigt aus

--- Als "ungemein qualifiziert" hatte Bush seinen Wunschkandidaten für das Heimatministerium, den Ex-Polizisten Bernard Kerik, angepriesen. Doch wirklich geeignet schien der Superbulle nicht für den Job. Jetzt hat Kerik von selbst Bush seinen Rücktritt von der Kabinettsliste erklärt. Zu Fall gebracht haben ihn aber nicht die gegen ihn bereits vorgebrachten prinzipielle Bedenken -- sondern ein Steuervergehen: Das illegal beschäftigte Kindermädchen ist schuld. Kerik, 49, elaborated in a written statement, saying that in filling out forms required for Senate confirmation he "uncovered information that now leads me to question the immigration status of a person who had been in my employ as a housekeeper and nanny." "It has also been brought to my attention that for a period of time during such employment required tax payments and related filings had not been made," he wrote. Doch auch einige andere gegen ihn sprechende Punkte werden von der US-Presse noch mit erwähnt: Even before the nanny issue arose, Democrats had targeted Kerik as the most vulnerable of Bush's second-term nominations. White House officials realized he was becoming a lightning rod, although they had thought he would survive. Democrats were focusing on the quick riches Kerik had accumulated since resigning in 2002 as police commissioner, a post he held during the 2001 terrorist attacks on the World Trade Center. Since leaving his city office, he had received $6.2 million by exercising stock options he received as a consultant and director for Taser International, a maker of stun guns that did business with the Department of Homeland Security.

Berlusconi kommt mit blauem Auge davon

--- Mailänder Richter haben Silvio Berlusconi, mythenumwobener italienischer Konzernchef und Ministerpräsident in einem, der Bestechung für schuldig gehalten. Glück für den Milliardär: Gleichzeitig sah das Gericht die Tat bereits als verjährt an. Berlusconi, der seit Jahren trotz mehrfacher Gerichtsverfahren und Verwicklungen in dunkle Geschäfte das Unschuldslamm mimt, präsentierte sich trotz des klaren Urteils natürlich als Sieger: In einer ersten Reaktion tat Berlusconi so, als ob er von den Richtern völlig entlastet worden wäre. Unter dem Titel «Lieber spät als nie» verbreitete seine Amtsstelle eine erste Stellungnahme, in der der Cavaliere erklärte, dass er Grund zur Unbeschwertheit und zum guten Gewissen gehabt habe, da er nichts verbrochen habe. Von einem ganzen Sieg sprach eigenartigerweise auch Berlusconis Anwalt Gaetano Pecorella, der Präsident des Justizausschusses der Abgeordnetenkammer ist. In diesem Triumphgebaren, in das noch andere Vertreter des Regierungsbündnisses einstimmten, ging fast die Ankündigung Pecorellas unter, dass man dieses Urteil doch anfechten werde, um die vollständige Absolution Berlusconis zu erwirken. Die Führer der Opposition betonten ihrerseits die Genugtuung, dass die Richter den Vorwurf einer übereifrigen Justiz widerlegt hätten und jedermann selber Gedanken darüber anstellen könne, was das Urteil für das Ansehen Berlusconis bedeute. ... Einen bitteren Nachgeschmack hat jedenfalls auch der Umstand hinterlassen, dass Ministerpräsident Berlusconi seit seinem Wahlsieg vor dreieinhalb Jahren alle politischen Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um mit massgeschneiderten Gesetzesvorlagen die gegen ihn gerichteten Verfahren wegen Richterbestechung und Bilanzfälschung zu torpedieren oder um zumindest eine Verjährung zu erzielen.

Unfein auch für den Premier: Weniger als 24 Stunden nachdem der italienische Ministerpräsident Sivio Berlusconi einer Verurteilung wegen Korruption entging, wurde sein Geschäftspartner Marcello Dell'Utri wegen Mafiakontakten zu neun Jahren Haft verurteilt. Seltsame Freunde und Parteigenossen hat der Ritter der Arbeit.

2004-12-10

ZDF-Terror: Anleitung zum Tag X

--- Was treibt das ZDF? Diese Frage wird nicht nur vom Spindoktor, sondern inzwischen auch von Spiegel Online thematisiert. Gestern abend zeigte der öffentlich-rechtliche Kanal 90 Minuten lang zur besten Sendezeit Tag X - Terror gegen Deutschland. Nein, ein Spielfilm war das nicht, eher eine Art Erste Hilfe, Technisches Hilfswerk vor Ort oder Mit dem Zweiten bombt man besser, wie der von seinen Weltreisen halbwegs heil zurückgekehrte Henryk M. Broder lakonisch feststellt. Da wurde visionär vorausgestellt, was passiert, wenn es in Berlin zu Terroranschlägen käme: Es war, um das Ergebnis vorwegzunehmen, als hätte man "Aktenzeichen XY" mit "TV total" gekreuzt, nur dass statt des drögen Ede Zimmermann oder des rüpeligen Stefan Raab die anmutige Maybrit Illner durch die Sendung führte, womit auch schon alles Gute über das "Infovision"-Stück gesagt wäre. Es handelte nicht nur von einer Katastrophe, es war eine, eine prätentiöse Peinlichkeit am Rande des Wahnsinns über "einen Tag, von dem wir alle hoffen, dass er nie kommen wird."

Woraus also motivierten sich die Mitarbeiter des Staatsfernsehens, diese Sendung zu gestalten, die sie selbst "Infovision" nennen? Zumal die Sendung tagelang zuvor in den Heute-Nachrichten beworben wurde, als stünde der Anschlag kurz bevor und als müsse sich Deutschland kollektiv informieren, so wie in den siebziger und achziger Jahren, als der atomare Schlag täglich erwartet worden war. Broders Fazit: Nun ist die Idee endlich auch in Mainz angekommen, zeitgleich mit dem Anfang der närrischen Saison. Was würde passieren, wenn es in Berlin zu einem Terroranschlag käme, genauer gesagt zu vier synchronisierten Terroranschlägen, drei Bombenexplosionen in der U-Bahn und einem mit Chlorgas gefüllten Transporter, der in die Luft fliegt? Die überraschende Antwort lautet: In Berlin wäre die Hölle los, nur beim ZDF würde man die Nerven behalten und alles live übertragen."

Update: Interessant aber auch zu sehen, wie positiv schon vorab eine konservative Zeitung wie die Welt das Stück Infovision beurteilte.

2004-12-09

US-Geheimdienste werden generalüberholt

--- Die US-Geheimdienste, die vor allem aufgrund des 11. Septembers unter Beschuss gekommen sind und generell zu den größten Quellen der allgemeinen Verunsicherung alias Desinformation zählen, sollen jetzt auf Grundlage eines nur noch von Bush zu unterzeichnenden Gesetzes gründlich reformiert werden. Der Ecomomist beleuchtet die Änderungen, die von der 9-11-Kommission empfohlen wurden: The most important aspect of the bill is its focus on intelligence co-ordination. It will create a new National Intelligence Director (NID). ... The September 11th commission, making its recommendations in July, found that the various bits of the government, including the police, the CIA and the FBI, may just have had enough information to foil the plot to attack the World Trade Centre and the Pentagon. But competition between agencies, and a culture of secrecy born of cold-war fears of Soviet penetration, kept them from sharing what they knew. The NID will make sure that they do pass information round, and will present their consensus to the president. A new National Counterterrorism Centre will be the institutional locus of this information-sharing. ... More controversially among the various intelligence bureaucrats, the new bill will also give the NID control over their budgets. This was opposed by the Pentagon, which controls around 80% of overall intelligence spending (thanks largely to its stock of expensive electronic kit, including satellites). ... In the wake of the Iraq war, as well as the spies’ failure to foresee September 11th, many believe that the problem was not fragmentation, but just the opposite. A congressional investigation into the lack of weapons of mass destruction in Iraq criticised the spy services for “group think”. Too many people began with the same assumption—that Iraq still had stockpiles of banned weapons. In this echo-chamber environment, raw intelligence that supported the case for the existence of such weapons was played up, and that which cast doubt on them was dismissed.

Kritik kommt auch von Bürgerrechtlern -- obwohl sie erstmals ein eigenens Panel bei dem neuen neuen Nationalen Geheimdienstdirektor bekommen sollen: The bill also calls for creation of a civil-liberties board, charged with ensuring that the government's war on terror does not infringe on civil liberties and privacy. Still, the American Civil Liberties Union said it was opposed to the measure. "This restructuring will centralize the intelligence community's surveillance powers, increasing the likelihood for government abuses, without creating sufficient corresponding safeguards," the organization said.. Man darf gespannt sein, ob das über 600 Seiten starke Gesetz die Kultur der sich aus 40 Mrd. Dollar finanzierenden 15 bekannten US-Dienste ändert.

Update: Die Washington Post hat weitere Kritikpunkte an dem Gesetz zusammengestellt: The intelligence package that Congress approved this week includes a series of little-noticed measures that would broaden the government's power to conduct terrorism investigations, including provisions to loosen standards for FBI surveillance warrants and allow the Justice Department to more easily detain suspects without bail. ... Sen. Russell Feingold (D-Wis.) said that while he voted for the bill because of its intelligence reforms, he opposed much of the expansion of law enforcement power. Most of it was not part of the Sept. 11 panel's recommendations. "I am troubled by some provisions that were added in conference that have nothing to do with reforming our intelligence network," Feingold said. He later added: "This Justice Department has a record of abusing its detention powers post-9/11 and of making terrorism allegations that turn out to have no merit."

Das Gift der Geheimdienste und Juschtschenko

--- Schon im Vorfeld der Wahl in der Ukraine wurde viel spekuliert über eine mögliche Vergiftung des Oppositionsführers Viktor Juschtschenko. Die Hinweise haben sich jetzt verhärtet durch Aussagen des behandelnden Ärzteteams in Wien: Es herrschte wochenlang Sendepause. Dann plauderte Nikolai Korpan, einer der Belegärzte im Rudolfinerhaus, gegenüber der britischen Zeitung "The Times". In einem Interview sagte er, die Mediziner seien sich nun sicher, welche Substanz die Krankheit Juschtschenkos ausgelöst habe. "Er hat diese Substanz von anderen Personen bekommen, die damit eine bestimmte Absicht verfolgt haben." Die Frage, ob er damit sagen wolle, Juschtschenko hätte getötet werden sollen, bejahte Korpan der Zeitung gegenüber: "Ja, natürlich." Vielleicht sei das Gift durch eine Injektion verabreicht worden, vielleicht im Getränk oder im Essen. ... Unter Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht wollte Korpan zu Einzelheiten nicht mehr Stellung nehmen. Dann aber bestätigte er den Bericht der "Times" indirekt doch. Die Ärzte hätten derzeit drei Vermutungen über die Ursache der Erkrankung, gab Korpan bekannt. Alle drei liefen auf eine Vergiftung hinaus. "Mehrere Varianten" würden mit Kollegen aus Frankreich, Deutschland und den USA endgültig untersucht, so der gebürtige Ukrainer. Dass Juschtschenko Opfer eines Attentats wurde, kristallisiert sich damit immer deutlicher heraus. In Kiew zeigen sich viele Bürger überzeugt, Juschtschenkos Essen sei vergiftet worden. Am Abend des 5. September hatte sich der Politiker zu einem Abendessen mit dem Chef der ukrainischen Staatssicherheit, Igor Smeschko, getroffen. Dieser wollte mit dem Oppositionspolitiker dringend zusammenkommen, um ihm "eminent wichtige Informationen" mitzuteilen. Wenige Stunden später wurde Juschtschenko krank. Er litt unter Unterleibs- und Rückenschmerzen, Gesichtsmuskeln waren gelähmt, er erbrach sich häufig.

Interessante Einblicke in die Praktiken der Dienste, die anscheinend am Werk waren, bringt derweil die Welt: Schon der sowjetische KGB hatte in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt zu Gift gegriffen. Nach dem Zerfall der UdSSR gab es in Rußland eine Reihe von geheimnisvollen Todesfällen, ob mit kriminellem oder geheimdienstlichem Hintergrund, blieb weitgehend im dunkeln. So starb 1990 der stellvertretende Chefredakteur der meist sehr gut informierten Zeitschrift "Sowerschenno Sekretno" ("Streng geheim") auf einer Dienstreise in Paris an einer Vergiftung. 1995 wurde der damals reichste Mann Rußlands, Iwan Kiwellidi, in Moskau mit Gift beseitigt. Im vergangenen Jahr starb Juri Schtschekotschichin, ein mutiger, investigativer Journalist, qualvoll mit deutlichen Vergiftungserscheinungen. ... Ein anonymer Ex-Geheimdienstmann bestätigte dieser Tage gegenüber der Zeitung "Komsomolskaja Prawda", daß der verhaßte libanesische, in Tschetschenien kämpfende Feldkommandeur Hattab Opfer eines Giftanschlags des Geheimdienstes FSB geworden ist. Ein Agent habe Hattab einen mit einem Gift aus der Gruppe der Nefrotoxine präparierten Brief übergeben. Es stamme aus dem Labor "X", das seit 1991 nicht mehr innerhalb der Geheimdienststrukturen, aber unter dem Dach eines Unternehmens existiere. "Kein ernsthafter Geheimdienst auf der Welt arbeitet ohne Gift", behauptete der Ex-KGB-Mann laut "Komsomolskaja Gaseta". Im heutigen Rußland gebe es allerdings keine Personen, die man aus politischer Räson vergiften müsse.

Update: Es war Dioxin, haben sich die Wiener Ärzte inzwischen entlocken lassen.

2004-12-08

Folterungen und Erschießungen im Irak lassen die US-Regierung kalt

--- Die Berichte über weitere Folterungen und kaltblütige standrechtliche Hinrichtungen irakischer Verhörter und Gefangener durch US-Soldaten nehmen kein Ende. So gibt es etwa Mordvorwürfe gegen einen GI nach einer "Aufräumaktion" in Sadr City, einem Vorort von Bagdad: Es war der frühe Morgen des 28. August, als die Soldaten des 41. Infanterieregiments an einem einstöckigen Haus im umkämpften Bagdader Viertel Sadr-Stadt ankamen. Wegen der drückenden Hitze hatten sich die Bewohner des Hauses, eine fünfköpfige Familie, zum Schlafen in den Hof gelegt. Die Soldaten hielten die Familie im Hof fest, während sie das Haus durchsuchten. Nachdem sie einen Revolver und ein AK-47-Gewehr gefunden hatten, befahlen der Anführer der Einheit, der Feldwebel Michael W., und der Gefreite Brent M. dem Familienvater, ihnen ins Haus zu folgen. Waffenbesitz ist im Irak allerdings auch unter der Zivilbevölkerung wegen der Sicherheitslage durchaus üblich und erlaubt. Im Haus wurden dann nicht mehr allzu viele Worte gewechselt. "Du weißt, was du zu tun hast", soll W. zu M. gesagt haben. Der fragte: "Kann ich ihn erschießen?" Die Antwort: "Erschieß ihn!" M. schoss dem Iraker zweimal in den Kopf. ... Der Vorfall, über den die "Los Angeles Times" jetzt unter Berufung auf eine Anhörung in Bagdad berichtete, ist nur einer von rund einem Dutzend Morden, die US-Soldaten im Irak derzeit zur Last gelegt werden. Darüber hinaus hat die American Civil Liberties Union (ACLU) unter Berufung auf den Freedom of Information Act der USA Dokumente erhalten, wonach sich selbst FBI-Terrorjäger über den Umgang von US-Soldaten mit irakischen Gefangenen beschwerten. "The more the government is forced to reveal, the more we learn that individuals in U.S. custody, many of whom have not been accused of wrongdoing, were tortured and abused," said ACLU Executive Director Anthony D. Romero. "These documents tell a damning story of sanctioned government abuse -- a story that the government has tried to hide and may well come back to haunt our own troops captured in Iraq."



Doch für die US-Medien jenseits einiger kritischer liberaler Zeitungen sind die ständig neuen Meldungen kaum ein Thema mehr und die Bush-Regierung strickt weiter an der Legende vom Ausrutscher Abu Ghraib. Welche Verantwortung hohe Militärs, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der designierte Justizminister Alberto Gonzalez, oder der Präsident George W. Bush tragen, wird nicht untersucht. Dabei besteht inzwischen kein Zweifel mehr daran, dass die Bush-Administration mindestens das Klima, in dem die Exzesse erst möglich wurden, geschaffen hat. Was Amerikas Sicherheit nützt, muss auch erlaubt sein, hieß nach dem 11. September die neue Maxime; erst kippten die Genfer Konventionen dann kam die Suche nach immer effektiveren Verhörmethoden. Bush lobt derweil lieber mal wieder bei einer seiner bevorzugten Reden inmitten der andächtig lauschenden Truppe die gute Arbeit der Truppe. Wunderschöne Fotos für alle Fans symbolischer Politik gibts dazu auch beim Weißen Haus.

2004-12-07

Kosovo: Ein Kriegsverbrecher oben an der Macht?

--- Am Freitag hat das frisch gewählte Kosovo-Parlament Ramush Haradinaj zum Premier gekürt. Doch die Entscheidung löst bei vielen Beobachtern ein flaues Gefühl im Magen aus. So schreibt etwa die Berliner Zeitung heute: Aber Haradinaj muss fürchten, dass ihn seine Vergangenheit nun doch noch einholt. Die serbische Führung in Belgrad reagierte empört auf seine Wahl. Einen Mann an die Spitze zu lancieren, der im Sommer 1998 mutmaßlich an der Ermordung von 67 serbischen Zivilisten beteiligt war, sei eine Provokation für alle, die nach einer Friedenslösung für Kosovo suchten, hieß es. Nach einer Statistik, die der frühere serbische Justizministers Vladan Batic am Sonntagabend vorlegte, soll Haradinaj darüber hinaus die Ermordung weiterer 267 Menschen und die Entführung von 400 Menschen angeordnet haben. Serbische Gerichte haben in 108 Punkten Anklage gegen Haradinaj erhoben. Außerdem seien dessen Verwicklungen in Waffenhandel und Schutzgelderpressung nach dem Kosovo-Krieg evident - behauptet Belgrad. Die serbische Führung kann in Kosovo-Fragen nicht als objektiv gelten. Doch die schweren Anschuldigungen kommen nicht nur aus dieser Richtung. Vor zwei Jahren schon versuchte auch die internationale Jusitz, Haradinajs habhaft zu werden. Der Vorwurf war vergleichsweise harmlos. Ihm wurde Gefährdung der öffentlichen Ordnung vorgeworfen, weil einige seiner Leute bewaffnet in das Haus einer rivalisierenden Familie eingedrungen waren und diese unter Druck gesetzt hatten. Jetzt jedoch ermittelt das Haager Jugoslawientribunal wegen der Beteiligung an Kriegsverbrechen. Auch die Neue Zürcher Zeitung bemängelt, dass der Westen und insbesondere die Uno hier mehr als zwei Augen zudrücken und sich lächerlich machen würden, wenn die Wahl gutgeheißen würde: Auch wenn sich der Zorn der Kosovo- Albaner im Falle einer Anklage Haradinajs zweifellos vor allem gegen die Uno-Verwaltung richten würde - der Westen darf in keinem Fall mit zweierlei Ellen messen. Auch der serbischen Bevölkerung in Kosovo ist Unrecht geschehen. Auch an Serben wurden Verbrechen begangen. Sollten jedoch bei der juristischen Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit Kosovos politische Rücksichten genommen werden, weil die Provinz von der Uno verwaltet wird und diese nicht in noch grössere Schwierigkeiten geraten will, so würde das Tribunal in Den Haag seine Glaubwürdigkeit verlieren.

BOBS: Spindoktor belegt Platz 6

--- Der Spindoktor hat bei der Wahl zum "Best of the Blogs" der Deutschen Welle Platz 6 belegt. Das stimmt uns zum einen glücklich, zum anderen fand die Wahl aber unter merkwürdigen Umständen statt, so dass dem Ergebnis nicht allzu viel Gewicht beigemessen werden sollte. Wir freuen uns auf jeden Fall weiterhin darüber, dass wir überhaupt in der Endausscheidung der besten journalistischen Weblogs gelandet waren.

CIA sorgt sich um Situation im Irak

--- Die CIA hat mal wieder nicht viel Gutes über die Situation im Irak zu vermelden, weiß die New York Times: A classified cable sent by the Central Intelligence Agency's station chief in Baghdad has warned that the situation in Iraq is deteriorating and may not rebound any time soon, according to government officials. The cable, sent late last month as the officer ended a yearlong tour, presented a bleak assessment on matters of politics, economics and security, the officials said. They said its basic conclusions had been echoed in briefings presented by a senior C.I.A. official who recently visited Iraq. The officials described the two assessments as having been "mixed," saying that they did describe Iraq as having made important progress, particularly in terms of its political process, and credited Iraqis with being resilient. But over all, the officials described the station chief's cable in particular as an unvarnished assessment of the difficulties ahead in Iraq. They said it warned that the security situation was likely to get worse, including more violence and sectarian clashes, unless there were marked improvements soon on the part of the Iraqi government, in terms of its ability to assert authority and to build the economy. Together, the appraisals, which follow several other such warnings from officials in Washington and in the field, were much more pessimistic than the public picture being offered by the Bush administration before the elections scheduled for Iraq next month, the officials said. Die Einschätzung wird durch unfeine Zahlen bestätigt: 1000 US-Soldaten sind im Irak-Krieg bislang gefallen, darüber hinaus noch viel mehr irakische. Und die Zahl der Zivilopfer wird auf bis zu 100.000 geschätzt.

Union spinnt sich Merkels Wahlergebnis schön

--- Die arme Angie: ist zwar wiedergewählt worden zur CDU-Parteichefin -- aber mit was für einem Ergebnis. Da hilft erst mal nur, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.. Aber ob das noch was wird mit Frau Kanzlerin?: Am ersten Tag des CDU-Parteitags hat es noch betretene Mienen über das Wahlergebnis von Parteichefin Angela Merkel gegeben. Nun lautet die offizielle Parteilinie: Das Ergebnis ist gut. "Ich bin sehr zufrieden mit meinem Wahlergebnis", sagte Merkel. Sie habe keine größere Zustimmung bei ihrer Wiederwahl erwartet. Merkel war am Montag mit 88,4 Prozent als Vorsitzende bestätigt worden. Das waren gut fünf Prozent weniger als bei der Wahl im Jahr 2002 auf dem Parteitag in Hannover. Das Ergebnis wurde allgemein als Dämpfer für ihre Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur gewertet. Die "Bild"-Zeitung wittert sogar eine Verschwörung der männlichen CDU-Führungsriege hinter dem Ergebnis. Merkel wollte davon jedoch nichts wissen. "Wir haben keine ganz einfachen Monate hinter uns", sagte Merkel. Sie sei "eindeutig und mit einem großen Vertrauensvotum wiedergewählt worden". Dem "RTL Nachtjournal" sagte Merkel: "Wir haben spannende Zeiten vor uns, und ich bin hochmotiviert, in diese spannenden Zeiten mit der CDU als Vorsitzende zu gehen." Auch Merkels Stellvertreter Jürgen Rüttgers sprach im RBB-Inforadio von einem "schönen Ergebnis". Man müsse sich an den Kopf fassen, "wenn man so sieht, was kommentiert wird". Merkel sei "durch dieses Wahlergebnis gestärkt". Ups, wie war das mit der gemeinsamen Realitätsverzerrung?

Auch für ihre Rede, die von konservativen Zeitungen wie der Welt teilweise dokumentiert und hoch gelobt wird, erhält Angie nicht nur Bestnoten: Dass Quantität nicht immer etwas mit Qualität zu tun hat, hat Angela Merkel in Düsseldorf eindrucksvoll bewiesen. Zwei Stunden lang redete sie auf dem CDU-Parteitag, aber sie sagte nicht viel. Reformprojekte à la Kopfpauschale, für die sie im vergangenen Jahr auf dem Leipziger Parteitag zu Recht gefeiert wurde? Fehlanzeige. Erkenntnisse, wie eine Kanzlerin Merkel das Land regieren würde? Kaum. Ein bisschen Menschelei, die Gerhard Schröder meist erfolgreich einsetzt, wenn seine Rede eine Luftblase ist? Auch das vermochte Merkel, die oft als kalter Machtmensch beschrieben wird, nicht zu liefern. Hat sie also einen völlig verunglückten Parteitagsauftakt hingelegt? Dieses Urteil wäre voreilig. Immerhin erntete sie für ihre blutarme Rede achteinhalb Minuten Ovationen ... Angesichts der ausgeprägten Einigkeitssehnsucht in der CDU hätte Merkel wahrscheinlich auch über das Paarungsverhalten der Murmeltiere referieren können, um denselben Effekt zu erzielen, aber immerhin: Nach außen hin stehen die Christdemokraten jetzt geschlossen da, und dies ist das Verdienst der Parteichefin. Also gilt für Merkel: Zwischenetappe erreicht. Die bedeutendere Aufgabe, die sie in Düsseldorf nicht zu erledigen brauchte, steht Merkel noch bevor. Sie muss nun auch noch die CSU, die Wirtschaft und später die Wähler davon überzeugen, dass sie die Eignung hat, Deutschland zu regieren.

Update: Wer hätte das gedacht: Just der eigentlich als Kanzlerkandidat schon abgeschriebene Stoiber trumpfte beim Parteitag der Schwesterpartei noch auf.

Update 2: Telepolis widmet sich den "patriotischen Begriffshülsen" der CDU-Chefin.

Media Hack: Die Yes Men führen die BBC vor

--- Immer wieder für einen Lacher in der aufgeklärten Mediengesellschaft sind die Yes Men gut. Nachdem sie jahrelang vermeintliche WTO-Vertreter rund um die Welt zu Vorträgen geschickt haben, gelang den Aktivisten nun ein Hack der BBC: Vor 20 Jahren flog im indischen Bhopal eine Chemiefabrik des US-Unternehmens Union Carbide in die Luft – Zehntausende starben, Hunderttausende sind bis heute geschädigt. Die BBC meldete, Dow Chemical, die 2001 Union Carbide kauften, wollten nun endlich für das Desaster gerade stehen. Doch dann stellte sich heraus, dass der live interviewte Firmensprecher ein "Yes Man" war. ... Zweimal war das Interview bereits gesendet worden, als sich Dow Chemical nach zwei Stunden empört bei der BBC meldete und diese feststellen musste, dass sie einer Ente aufgesessen war. ... es gibt auch eine Website über die ethischen Grundsätze von Dow Chemical, die sich erst auf den zweiten Blick als Parodie entpuppt, weil einige der Aussagen einfach zu absurd sind. Auf diese Website war die BBC hereingefallen und hatte am 29. November um ein Interview gebeten. Dass sowohl Telepolis wie auch die Süddeutsche der BBC eine "neue" Falschmeldung nach dem Fall Gilligan/Kelly unterjubeln wollen, ist aber wiederum nicht ganz richtig, weil zumindest in diesem Fall rund um die Lügen des Irak-Krieg und die Märchendossiers Blairs die "Tante BBC" näher an der Wahrheit lag als die Spindoktoren der britischen Regierung. Mehr zum Thema auch bei Netzpolitik.org.

2004-12-06

Roboter bald auf Rebellenjagd im Irak

--- Das Pentagon hat nach eigenem Ermessen noch nicht ausreichend Hightech-Kriegszeug im Irak im Einsatz und will daher bewaffnete Roboter gegen Rebellen im Häuserkampf einsetzen: Der rund 80 Zentimeter hohe "Talon"-Roboter rollt mit bis zu zehn Kilometern pro Stunde auf Ketten umher. ... Die tödliche Version des "Talon" trägt an Stelle des Greifarms eine Halterung für verschiedene Waffen. Montiert werden können nicht nur Maschinengewehre wie das mittelschwere M240 oder das leichte M249, sondern auch ein Granatwerfer oder vier 66-Millimeter-Raketen. Die Lafette, ausgerüstet mit vier Kameras und zwei Nachtsichtgeräten, wird bereits vom US-Marinekorps fürs ferngesteuerte Schießen benutzt: Per Kabelverbindung lösen die Soldaten aus sicherer Entfernung die Waffen aus. Auf dem Roboter wird der Kugelhagel nun per Funksignal gestartet. "Talon" wird sich allerdings weder autonom bewegen noch selbständig feuern, sondern immer von einem Soldaten bedient, betonten die Entwickler. ... "Das gibt eine Ahnung davon, was uns in Zukunft erwartet", sagte John Pike, Direktor des Washingtoner Think Tanks "Globalsecurity.org". "Diese Dinger haben keine Familie. Sie kennen keine Angst. Man kann sie für Aufgaben einsetzen, die man einem Soldaten nur schwer zumuten könnte." Allerdings eröffneten die Roboter "neben einigen erfreulichen auch alptraumhafte Perspektiven", sagte Pike. So dürften die Maschinen dafür sorgen, dass der traditionelle Kampf Mann gegen Mann schon bald der Vergangenheit angehören könne. "Aber das könnte uns auch unserer Menschlichkeit berauben", warnte der Experte. "Wir könnten in den Augen der Welt wie Terminatoren aussehen." Mehr dazu in Telepolis.

2004-12-05

Nachbeben des Psywar um Falludscha

--- Die Washington Post stellt heute den militärischen Spin um die Schlacht um Falludscha einem bekannten Blog mit Aufnahmen aus der zerstörten irakischen Stadt entgegen: Two photo-rich summaries of the battle of Fallujah -- one produced by the U.S. military in Iraq, the other by an anonymous American blogger -- highlight how the terrain in such counterinsurgency fights can be as much psychological as physical. Both presentations have gained increasing Internet audiences recently and attempt to convey, among other things, the suffering imposed on Iraqi civilians in Fallujah. That is where similarities end, however. The military's presentation depicts the fight for Fallujah as a liberation of a city from the insurgents. The Web log posts far more graphic wire service and other photos, and tends to point the finger of blame for civilian suffering at the military. Judging by the reaction of several soldiers and military experts, a comparison of the two presentations shows, among other things, how the might of the U.S. military can be matched by a single blogger working part time. Public affairs officers at the top U.S military headquarters in Baghdad produced the 59-page Microsoft PowerPoint presentation titled, "Telling the Fallujah Story to the World." It is the first such effort distributed by the headquarters, said one of its creators, Army Maj. Scott R. Bleichwehl. ... The military briefing, an electronic slide show that has rocketed around the Internet over the last week, can be read at Soldiers for the Truth (www.sftt.org) and other Web sites ... Charles Krohn, a former Army public affairs official who worked with the U.S. occupation authority in Iraq, said he suspects the presentation is directed at American audiences. He said the United States has failed to get out its message in Iraq, and has not even appeared to want to do so. ... A competing vision of the Fallujah operation is presented by the blog titled "Iraq in Pictures" (www.fallujahinpictures.com), which Krohn says is far more similar to what Iraqis, and the Arab world, see on their satellite news channels. ... Many of the photographs are far more graphic than are usually carried in newspapers, showing headless bodies, bloodied troops, wounded women, and bandaged babies missing limbs. One added recently shows a U.S. soldier with part of his face blown away by a bomb. ... In an interview, the blogger said he started the site after the presidential election, working on it in his spare time, because he believes "there is an emotional truth to the war, and it's not being shown" in the U.S. media. Finger weg von Powerpoint, kann man da doch nur sagen. Blogs sind da schon noch ein bisschen mehr sexy.

Update: Über eine gefährliche Entwicklung bei Psy-Ops berichtet -- auch im Zusammenhang mit der Schlacht um Falludscha -- die LA Times: Demnach wurden schon im Oktober von Marines gezielt falsche Informationen über den Start der Großoffensive an die Medien gegeben.

US-Folterungen im Irak auch schon vor Abu Ghraib?

--- Durch die amerikanischen (Online-)Medien geistert momentan eine Meldung, wonach Soldaten der US-Navy bereits ein gutes halbes Jahr vor den sadistischen Folterungen in Abu Ghraib irakische Gefangene misshandelten und quälten: The U.S. military has launched a criminal investigation into photographs that appear to show Navy SEALs in Iraq sitting on hooded and handcuffed detainees, and photos of what appear to be bloodied prisoners, one with a gun to his head. Some of the photos have date stamps suggesting they were taken in May 2003, which could make them the earliest evidence of possible abuse of prisoners in Iraq. The far more brutal practices photographed in Abu Ghraib prison occurred months later. An Associated Press reporter found more than 40 of the pictures among hundreds in an album posted on a commercial photo-sharing Web site by a woman who said her husband brought them from Iraq after his tour of duty. It is unclear who took the pictures, which the Navy said it was investigating after the AP furnished copies to get comment for this story. These and other photos found by the AP appear to show the immediate aftermath of raids on civilian homes. One man is lying on his back with a boot on his chest. A mug shot shows a man with an automatic weapon pointed at his head and a gloved thumb jabbed into his throat. In many photos, faces have been blacked out. What appears to be blood drips from the heads of some. A family huddles in a room in one photo and others show debris and upturned furniture. ... The images were posted to the Internet site Smugmug.com. The woman who posted them told the AP they were on the camera her husband brought back from Iraq. She said her husband has returned to Iraq. He does not appear in photos with prisoners.

Update: Die Empörung folgt stante pedes: Neue Fotos über die Mißhandlung irakischer Gefangener haben in der arabischen Welt einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

2004-12-04

Dschihad in Deutschland?

--- Die deutschen Medien räumen heute dem angeblich verhinderten Terroranschlag auf den irakischen Übergangspremier Allawi viel Platz ein. Die Welt überschreibt ihren Kommentar zu dem Geschehen gleich mit der plakativen Ansage Dschihad in Deutschland und stellt das Fragezeichen erst im eigentlichen Text dahinter: Droht der Dschihad, der seine Hauptschlachten derzeit im Irak führt, nach Berlin zu kommen? Die offenbar konkreten Anschlagsvorbereitungen zeigen, daß Deutschland im Terrorkampf längst aus den Zuschauerreihen in die Mitte des Spiels geraten ist. Dazu paßt, daß das Bundesverwaltungsgericht nach Jahren das Verbot eines extremistischen Spendensammel-Vereins bestätigte, dessen Gelder ganz offenbar an Terroristen im Nahen Osten flossen. Beide Vorgänge belegen: Deutschland ist Ruhe- und Finanzierungsraum, aber längst auch Aktionsraum des internationalen islamistischen Terrors. Im dazugehörigen Bericht wird erläutert, was zu den Razzien und Festnahmen geführt hat: "Hektische Telefonate in arabischer Sprache und ein auffälliges Bewegungsbild" am Donnerstag abend hätten den Generalbundesanwalt zum Handeln veranlaßt. "Die Gespräche haben uns stutzig gemacht", sagte Nehm, da sie zum Besuchsprogramm von Allawi paßten. Die ständige Telefonüberwachung eines der Beschuldigten in Stuttgart durch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hätte den Verdacht bestärkt, daß ein Anschlag auf Allawi während seines Deutschlandbesuchs geplant war, so Nehm. Die Iraker wurden bereits seit Dezember 2003 vom Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern in Bayern und Baden-Württemberg überwacht. Sie sollen der radikal-islamischen kurdischen Terrororganisation Ansar Al Islam angehören. Mehr Einzelheiten hat der Spiegel: Ein Hauch von Bagdad lag am vergangenen Freitagnachmittag plötzlich über der von Lichterketten erleuchteten Berliner City. m Polizeifunk lief die Suchmeldung: Es sei dringend Ausschau zu halten nach einem Kleinlaster mit rotem Kennzeichen. Auch ähnliche Fahrzeuge seien sofort zu stoppen. Der ominöse Wagen, so fürchteten Terrorfahnder, könne eine rollende Bombe sein. ... Gegen drei Uhr am Freitagmorgen stürmte ein vermummtes, schwer bewaffnetes Spezialeinsatzkommando der Berliner Polizei eine Wohnung im achten Stock eines Hochhauses am Käthe-Dorsch-Ring. Mit Brachialgewalt hebelten die Beamten das Schloss aus der Verankerung und brachen die olivgrüne Tür auf. Fast zeitgleich starteten Razzien bei acht weiteren Objekten. In Berlin nahmen die Fahnder Rafik Y., 30, fest, in Augsburg unweit des Oberhausener Bahnhofs Masin H., in Stuttgart Ata R., 31. Doch nichts Genaues weiß man bisher nicht: Der Anschlagsplan von Berlin, wenn es ihn denn gab, war freilich wohl eher eine spontane Idee. Selbst Nehm spricht davon, dass es "nicht eine lang vorbereitete Planung aus Anlass dieses Besuches" war, sondern "eine Ad-hoc-Entscheidung" gewesen sein könnte. Konfrontiert mit dem Inhalt der abgehörten Telefonate, stritten die Verdächtigen in ersten Vernehmungen jede Attentatsabsicht ab - und einen Sprengstofftransporter konnten Berliner Polizisten bis zum frühen Samstagmorgen auch nicht finden. Nehm hatte jedoch allen Grund zur Vorsicht: Rafik Y., bei dem die Beamten mehrere tausend Euro sowie diverse Handys fanden, und Masin H. sind als Sympathisanten der irakischen Gruppe Ansar-e Islam im Visier des Verfassungsschutzes. Man darf nun gespannt sein, welche neuen Forderungen die Wächter über die Innere Sicherheit gleich wieder vorbringen werden. Dabei scheint ja zumindest die Telefonüberwachung an sich zu funktionieren.

Etwas unter gehen derweil die fünf gestrigen Bombenanschläge auf Tankstellen in Madrid -- dort gab es eine ETA-Warnung. All die Vorkommnisse beweisen mal wieder, dass es eine absolute Sicherheit vor Terroranschlägen sowieso nicht gibt. Und interessant auch eine Warnung des EU-Antiterror-Koordinators Gijs de Vries in der Berliner Zeitung: er sieht (zumindest laut der entsprechenden dpa-Meldung) die Gefahr von Anschlägen von Terroristen, die im Irak ausgebildet wurden. Der Brüsseler Terrorbekämpfer sagte, der Irak könne dazu dienen, dass von dort aus Attentate in Europa geplant werden. Für die Geheimdienste stehe fest, dass junge Muslime aus Europa für ein militärisches Training in den Irak gereist seien. Eine Reihe von ihnen sei bereits zurückgekehrt, allein 30 davon in die Niederlande. Dies sei ein Trend, der den Mitgliedstaaten Sorgen bereite. Äh, Moment mal, sollte das durch den Bush-Krieg gegen Saddam Hussein nicht genau verhindert werden?

2004-12-03

Harter Bulle für Bushs Heimatschutz

--- Bush vervollständigt sein Buddy-Kabinett weiter: Nach Condi und Gonzales rückt nun auch Bernard Kerik näher zu ihm als neuer Heimatschutzminister. Einen Namen gemacht hat sich Kerik vor allem als harter Chef der New Yorker Polizei: You can usually find him standing next to Rudy Giuliani, but in many ways, no one represents the toughness and grittiness of the city more than police commissioner Bernard Kerik. Nicht nur, aber auch, weil er während des 11. September im Amt war. Bei Klatschtante Oprah Winfrey berichtete der Ex-Soldat und Ex-Polizist über seine Formung: In the Army, Bernard found self-esteem in the military's code of honor and duty. "I think the Army had an enormous amount to do with creating the person that I am today. The respect and the discipline and uniformity, all of that [that is] instilled in me today came from the U.S. military." Für die Saudis hat er auch schon gearbeitet, kennt sich also mit den Gepflogenheiten im Nahen Osten gut aus: 21 year old Bernard provided security for the construction of a large military base Saudi Arabia. There he honed his know-how in international police work, investigations and terrorism and also worked for the Royal Saudi family. "I think I left Saudi Arabia with a different sense of internal pride, with a sense of honor and integrity that I didn't know and understand before I got there." Danach schuftete er sich im US-Polizeidienst nach oben und räumte gemeinsamt mit Ex-Bürgermeister Guiliani im Big Apple auf. Eine echte amerikanische Erfolgsgeschichte (die angeblich auch gerade verfilmt wird), die hoffentlich auch zum Minister, also zum Diener des Volkes, taugt.

Update: Kerik hat sich auch bereits als Fan des umstrittenen PATRIOT-Act, dem umfassenden Paket an Anti-Terrorgesetzen der USA, geoutet. Zudem wurden zu seiner New Yorker Zeit willkürliche Polizeibefragungen arabischer Immigranten aus terrorverdächtigen Ländern ein- und durchgeführt. Links via Politech. Und ein ausführliches Porträt des neuen Washingtoner Sheriffs und Rambo-Imitatoren gibt es in der Welt.

Und noch ein Update: Vorwürfe gegen Keriks Verhalten als Security in seinen saudischen Zeiten werden laut, der künftige Minister wird als "Dummkopf" mit "Gestapo"-Methoden bezeichnet.

Demokratiedefizit in der EU: Schmerzgrenze erreicht

--- Linke und liberale Abgeordnete des Europaparlaments und des Bundestags sind sich mit Bürgerrechtsorganisationen einig: Die Schmerzgrenze beim Demokratiedefizit in der EU ist erreicht! Anlass ist das faule Spiel der nationalen Regierungsvertreter über die Brüsseler Bande in der umstrittenen Frage der Aufrüstung der Reisepässe sämtlicher 450 Millionen EU-Bürger mit biometrischen Merkmalen. Während sich das EU-Parlament hier nur für eine Gesichtserkennung aussprach, bestanden die Minister im EU-Rat zusätzlich auf die verpflichtende Aufnahme des Fingerabdrucks in die Ausweisdokumente. Gegenwehr des EU-Parlaments war praktisch nicht möglich, denn noch hat es nur ein "Beratungsrecht" in Sicherheitsfragen. Gleichzeitig drohte der Rat den Abgeordneten, ihre fürs nächste Jahr vorgesehenen echten Mitspracherechte weiter aufzuschieben und das Parlament wegen vermeintlicher "Untätigkeit" auch bei einem Oppositionskurs schlicht zu überfahren. Nun haben die EU-Volksvertreter also mit Mühe und Not ihren abweichenden Standpunkt dokumentiert, die Scharfmacher im Rat sich aber gleichzeitig mit ihrem Überwachungswahn wieder einmal durchgesetzt. Die nationalen Abgeordneten haben nichts mehr zu melden, auch wenn sie sich dies vorher -- wie in Deutschland -- explizit bei der Verabschiedung von Anti-Terrorpaketen nach dem 11. September ausdrücklich ausbedungen hatten. Mehr zu dem hinterhältigen Spiel gibt es bei heise online hier, hier und hier. Nicht viel besser sieht es mit der Brüsseler Diskussion über die Totalüberwachung des elektronischen Lebens alias Vorratsspeicherung der Telekommunikationsdaten aus. Der Spindoktor meint: Weg mit den Brüsseler Schlupflöchern für unausgegorene und kostenintensive Pläne (eine FDP-Abgeordnete schätzt, dass ein deutscher Reisepass demnächst bis zu 300 Euro kostet!) der Schilys und Co.! Und bezeichnend natürlich auch, dass die unglaublichen Vorgänge in Brüssel den Großteil der Mainstream-Medien absolut nicht interessiert.