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Echtes Gift und falsche Firmensprecher

Wolf-Dieter Roth 06.12.2004

Die "Yes Men" haben wieder zugeschlagen

Kein schöner Jahrestag: Vor 20 Jahren flog im indischen Bhopal eine Chemiefabrik des US-Unternehmens Union Carbide in die Luft – Zehntausende starben, Hunderttausende sind bis heute geschädigt. Die BBC meldete, Dow Chemical, die 2001 Union Carbide kauften, wollten nun endlich für das Desaster gerade stehen. Doch dann stellte sich heraus, dass der live interviewte Firmensprecher ein "Yes Man" war.

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Am 3. Dezember 1984 gerät kurz nach Mitternacht in einer Pestizidfabrik Wasser in einen Tank mit Methylisocyanat, was diesen zur Explosion bringt: 40 Tonnen des giftigen Stoffes werden frei und ziehen als Gaswolke über die Stadt. Die ersten Opfer sterben in wenigen Minuten, andere erst nach Monaten. Auch nach Tagen weiß noch niemand, was vorgefallen ist. [extern] Union Carbide, Inhaber der Fabrik behauptet, ein der der indischen Polizei bekannter und von dieser gedeckter Angestellter habe die Katatstrophe [extern] mit Absicht ausgelöst, jedoch warnte der Journalist Rajkumar Keswani schon Jahre vor dem Unfall vor mangelnden Sicherheitsvorrichtungen in dem Werk, das die Produktion [extern] bereits eingestellt hatte. Das Einleiten von Wasser in – allerdings leere – Tanks gehörte zur normalen Reinigungsprozedur, ein falsch gestelltes Ventil war also bereits ausreichend, um die Katastrophe auszulösen. Zudem waren die Tanks überfüllt und ungekühlt.

Heute spielen Kinder auf dem verseuchten Vetriebsgelände (Bild: Raghu Rai/Greenpeace)

Auch 20 Jahre nach dem Unglück ist das Fabrikgelände [extern] nicht saniert und die Opfer oder deren Hinterbliebene sind nicht einmal mit der vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Summe von 470 Millionen Dollar, was etwa 1000 Dollar pro Person ergäbe, vollständig versorgt worden. Immer weiter werden die Bewohner von Bhopal [extern] vergiftet.

2001 wurden die Reste von Union Carbide durch Dow Chemical übernommen. Dieses Unternehmen fühlt sich nicht für den Zustand des Geländes in Bhopal oder die Geschädigten zuständig, weil man 1984 ja noch nicht Eigentümer der Fabrik in Bhopal war.

(Bild: Raghu Rai/Greenpeace)

Umso überraschender war ein Interview, das ein angeblicher Firmensprecher von Dow der BBC gab und in dem dieser sagte: "Ich bin sehr glücklich, dass ich heute mitteilen kann, dass Dow erstmals die volle Verantwortung für die Katastrophe in Bhopal übernimmt." Die Entschädigung solle auch den 120 000 Opfern zugute kommen, die ihr ganzes Leben lang medizinische Hilfe benötigen könnten und außerdem solle das Fabrikgelände saniert werden. "Wir haben beschlossen, Union Carbide zu liquidieren, diesen Albtraum für die Welt, der Dow Kopfschmerzen bereitet".

Zweimal war das Interview bereits gesendet worden, als sich Dow Chemical nach zwei Stunden empört bei der BBC meldete und diese feststellen musste, dass sie einer Ente [extern] aufgesessen war. Man ist empört – einerseits, weil der nur kurz andauernde Scherz angeblich falsche Hoffnungen in Bhopal geweckt haben könnte, andererseits, weil die altehrwürdige BBC nun schon das zweite Mal in einem Jahr eine [extern] Falschmeldung verbreitet hat.

Ob der Eiffelturm im Hintergrund wenigstens echt war?

Doch der angeblich unbekannte Scherzbold ist durchaus kein Unbekannter: Es handelt sich um eine Aktion der Yes-Men ([local] Die Wahrheit ist eine Bedrohung). Diese sind bereits für diverse Website-Fälschungen bekannt geworden, von einer angeblichen [extern] George-W.-Bush-Website bis zur leicht veränderten [extern] Kopie der [extern] Gatt-Website, die zu [extern] Einladungen auf Kongresse führte, bei denen richtige Dramen vorgeführt wurden wie die Story des an einer auf ihn geworfenen, verdorbenen Sahnetorte verstorbenen Abgesandten ([local] Zur Ästhetik der Lüge). Die Transmediale 2002 hatten sie ebenfalls mit einem Vortrag eines nicht existenten US-Ministers beglückt ([local] Public Spaces Invaders).

Und es gibt auch eine Website über [extern] die ethischen Grundsätze von Dow Chemical, die sich erst auf den zweiten Blick als Parodie entpuppt, weil einige der Aussagen einfach zu absurd sind. Auf diese Website war die BBC hereingefallen und hatte am 29. November [extern] um ein Interview gebeten.


Did you know?
Dow is responsible for the birth of the modern environmental movement. Rachel Carson's 1962 book Silent Spring, about the side-effects of a Dow product, DDT, led to a groundswell of concern and the birth of many of today's environmental action groups. Another example of Dow's commitment to Living. Improved daily.

[extern] "Dow Ethics" (Yes Men)

Und natürlich gibt es auch über den gelungenen BBC-Dow-Hoax wieder eine scheinbar von Dow Chemical stammende, [extern] empörte Meldung auf "Dow Ethics" – die ebenfalls wieder nichtsahnend nachgedruckt wird. Zusätzlich hatten die Yes Men auch noch ähnlich lautende Pressemeldungen von dowethics.com verschickt.

Neu ist der Dow-Hoax dabei nicht: Etwas ziemlich Ähnliches hatten die Yes Men bereits vor 2 Jahren von sich aus [extern] auf dow-chemical.com abgezogen. Da sie diese Website damals allerdings im Namen des Sohns des Dow-Chefs angemeldet hatten, konnte dieser sie in seinen Besitz bringen. Zuvor hatte Dow bereits den Provider der Yes Men zum kompletten Abschalten des gesamten Servers gezwungen, wovon auch [extern] etliche andere Sites betroffen waren. ([local] Mit dem Copyright gegen Kritik). Damit das nicht wieder passiert, gibt es die Dow-Fake-Site nun auch [extern] auf etlichen Mirrors.


Dow-Carbide will absolutely not accept the least responsibility for the Bhopal catastrophe caused by our fully owned subsidiary, Union Carbide. Our only responsibility is to our shareholders. Therefore, we cannot and will not do anything to help the victims of the accident. You, however, are free to do what you can, as your conscience dictates
[extern] "Dow Ethics" (Yes Men)

Zum Erstellen solcher leicht veränderten Websites bieten die Yes Men eine [extern] eigene Software. Den Tipp Nummer 1 – eine ähnlich klingende Domain zu registrieren – sollte man in Deutschland allerdings mit Vorsicht genieße, da er schon bei klar unterscheidbaren, verschiedene Themen behandelnden Websites schnell zehn- oder gar hundertausende Euro kosten kann.

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Kommentare:
YesMen gehört bestraft! (rkn 7.12.2004 8:27)
Heilig, heilig, heilig (Lord Chao 7.12.2004 6:57)
Ich werde diese Leute heiligsprechen! (elfboi 7.12.2004 1:01)
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