Letzte Ölung
Thomas Pany 15.06.2007
Yes Men sorgen für Skandal auf der Gas & Oil Expo
Wenn es um Exxon und um die amerikanische Regierung geht, sind die
Erwartungen immer besonders hoch: kritische Menschen argwöhnen die
nächste Schweinerei; Geschäftsleute hoffen dagegen auf eine Vision mit
garantierter Rendite. Das 300 Mann starke Branchenpublikum, welches 45
Dollar bezahlte, um auf der kanadischen Gas & Oil-Messe ( GO-Expo)
die programmatische Rede eines Repräsentanten des amerikanischen National Petroleum Council zu hören, hoffte, so berichten die Zeitungen, auf die gute Vision und hielt trotz der "unprofessionell wirkenden PowerPoint-Präsentation" damit durch, bis die Kerze des "Exxon-Hausmeisters" angezündet wurde.
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Quelle: Yes Men |
Im Oktober 2005 soll der amerikanische Energieminister Samuel W. Bodmann
den Chef von ExxonMobil Lee Raymond, zugleich Vorsitzender des National
Petroleum Council (NPC), um eine Studie gebeten haben, die Global Oil
and Gas Study. Sie soll die amerikanische Regierung mit Empfehlungen versorgen für die langfristige Ausrichtung ihrer Energiepolitik bis zum Jahr 2025.
Da die Organisatoren für den gestrigen Empfang auf der Ölmesse im kanadischen Calgary einen "special advisor" der NPC angekündigt hatten und Spekulationen über "wichtige politische Bekanntmachungen"
durchsickerten, war das Fachpublikum sehr gespannt auf die Äußerungen
von Shepard Wolff, dem NPC-Vertreter, und Florian Osenberg von Exxon.
Schon der Auftakt war
spektakulär: Wolff kündigte an, dass die USA den Anteil von Rohöl, den
man aus den Ölsandfeldern in Kanada bezieht, in den nächsten Jahren um
das Fünffache steigern wolle. Bislang galt das als unmöglich. Der
Vortrag von Wolff strapazierte das gewohnte Realitätsverständnis der
Anwesenden aber noch um einige "Drills" weiter. Die gegenwärtige
Energiepolitik Kanadas und der USA, so der NPC-Vertreter, würde, wie
man gerade an der aufwändigen umweltschädigenden Öl-Förderung aus den
Sandfeldern in Alberta sehen könnte, die "Möglichkeiten größter
globaler Katastrophen" erhöhen. Aber man habe eine Rettungsmöglichkeit
für das "worst case scenario" gefunden, durch welche sicher gestellt
sei, dass das Öl weiter fließe: die Umwandlung von Milliarden von
Menschen, die sterben, in Öl.
Ein Mann, der sich als Florian Osenberg und Mitarbeiter von Exxon
vorstellte, erklärte sodann, wie diese Technologie, welche menschliches
Fleisch in ein neues Exxon-Produkt, genannt Vivoleum,
umwandelt, aussehen wird. Er wies die Zuhörer darauf hin, dass man sich
bei der derzeitigen Energiepolitik, die für Katastrophen prädestiniert
sei, keine Sorgen um den Nachschub machen müsse:
Vivoleum works in perfect synergy with the continued
expansion of fossil fuel production.With more fossil fuels comes a
greater chance of disaster, but that means more feedstock for Vivoleum.
Fuel will continue to flow for those of us left.
War das den Zuhörern bis zu diesem Zeitpunkt schon etwas merkwürdig vorgekommen,
so entzündete sich der Eklat, nachdem sie aufgefordert wurden, eine
seltsam geformte Kerze, hergestellt aus der Leiche eines Mitarbeiters
von Exxon, anzustecken. Die Security stürmte die Bühne, die
Vortragsredner wurden festgehalten (später aber wieder freigelassen),
den Veranstaltern ist die Sache peinlich, die Agentur, welche die
Redner angemeldet hätte, sei doch seriös.
Wie sich herausstellte, waren die beiden Vortragenden
verkappte politische Agitatoren: Urheber dieser subversiven Aktion sind
Mike Bonanno und Andy Bichlbaum, die Yes Men, die via E-Mail gestern über ihren Messe-Vortrag informierten. Bekannt sind die Meister der (mehr oder weniger) subtilen Verunsicherung schon länger.
Mit Fiktionen wollen sie an die Wahrheit herankommen, so Mike Bonanno in einem Telepolis-Interview vor drei Jahren (vgl. Die Wahrheit ist eine Bedrohung):
Und so werden schließlich wir ein bisschen kreativ in
Hinblick darauf, wie WIR Fiktionen erzeugen, um an eine Wahrheit
heranzukommen. Wie bei unserem Konzept der "identity correction", der
"Identitäts-Korrektur": Jemandes Identität annehmen - was beinhaltet,
dass man Informationen fälscht - und sich als jemand ausgeben, mit dem
Endziel, etwas über diese Leute offen zu legen. Es geht also darum, an
eine Wahrheit heranzukommen, aber unter der Benutzung der selben Waffen
der Fiktion, die die Leute AN der Macht die ganze Zeit auch benutzen.
Zu ihren Aktionen bislang gehören u.a. eine gefakte Homepage von George
W. Bush, das Sichern des Domainnamen GATT, wo sie ("GATT" war die
Grundlage der World Trade Organisation) eine gefälschte Seite der WTO
errichteten, die so überzeugend gelungen war, dass bald erste
ernsthafte Anfragen an die WTO per Mail eintrafen. Ihre Auftritte
wurden immer gewagter und bizarrer: Sie stellten ("The Future of
Textiles") goldene Freizeitanzüge für Manager vor, mit einem
aufblasbaren Riesenphallus, an dessen Spitze ein Monitor die
Überwachung der in irgendwelchen weit entfernten Billiglohnländern
schuftenden Arbeiter erlaubt. Und sie präsentierten ein Projekt, die
Fäkalien der westlichen Industrienationen zu McDonald's-Burgern zweiter
Generation für die Hungerregionen zu recyclen. Schließlich verkündeten
sie der Weltpresse sogar die Selbstauflösung der WTO.
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